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Neues Leadership-Modell der Schweizer Armee

Aktualisiert: 26. Feb.

Führung als Teil der Strategie des CdA

Am 23. Januar 2025 hat der Chef der Armee, KKdt Thomas Süssli, die Strategie zur Vision 2030 vorgestellt. Das «Grüne Buch» zeigt die strategischen Grundsätze und Stossrichtungen sowie die zugehörigen Handlungsfelder und Ziele auf, mit denen der Chef der Armee die Mission, Werte und Vision aus dem bekannten «Schwarzen Buch» bis 2030 umsetzen will.

 

Im Grünen Buch wird das neue Leadership-Modell der Schweizer Armee vorgestellt. Die Armeeführung hatte am 27.03.2024 entschieden, dass dieses Modell künftig Grundlage für Aus- und Weiterbildungen sein soll. Es gilt gleichermassen für Milizangehörige, Berufsmilitär und Zivilangestellte. Dieses Führungsverständnis soll bis 2030 in der Gruppe Verteidigung und der Armee etabliert und in Reglementen und Dokumentationen abgebildet sein und genutzt werden. Grund genug, sich mit diesem Modell etwas näher auseinanderzusetzen.

 

Das Modell wurde von der Dozentur Führung und Kommunikation (F+K) der Militärakademie an der ETH Zürich gemeinsam mit dem Kommando Führungs- und Kommunikations­ausbildung (KFK) entwickelt. Grundlage bildet ein Thesenpapier, das in der Stratos-Ausgabe 2023 veröffentlicht wurde und öffentlich einsehbar ist (Stratos 2-2023). Hier sollen nicht nur die wichtigsten Punkte des Modells dargestellt werden, sondern auch aufgezeigt, wozu das Modell dient und was das Modell nicht ist.

 

Kernaussagen des Modells

Das Modell unterscheidet Command, Leadership und Management. Um die drei Dimensionen besser ansprechen zu können, sind sie jeweils mit einer Farbe hinterlegt. Command (grün) ist der Aspekt der Führung, der auf den Auftrag zentriert. Leadership (rot) ist der Aspekt der Führung, der sich am Menschen orientiert. Management (blau) ist der Aspekt der Führung, der auf der Organisation basiert.

 

Mit dieser Dreiteilung vereint das Führungsmodell zivile Diskussionen («Manager or Leader?») und militärische Debatten («soll Führung menschenorientiert oder auftragszentriert sein?»). Nur eine abgestimmte Kombination von Command, Leadership und Management erlaubt es den Menschen in einer Organisation, den Auftrag gemeinsam zu erfüllen. Führungskräfte müssen dazu nicht alle drei Aspekte gleichermassen beherrschen. Sie sind in Teams eingebettet, deren Mitglieder sich ergänzen.

 

Wir haben alle bereits in der Unteroffiziersschule gelernt, dass Führung, Erziehung und Ausbildung ein Dreieck bilden. Das ist im Dienstreglement verankert und nach wie vor gültig. Vereinfacht gesagt müssen wir die Menschen ausbilden, damit sie es können; wir müssen sie erziehen, damit sie es wollen; wir müssen sie führen, damit sie es tun.

 

Gerade die Erziehung ist dabei ein anspruchsvoller Begriff, der uns immer wieder herausfordert. Indem das Modell diesen Begriff auf dieselben drei Aspekte «Auftrag, Mensch, Organisation» abbildet, können wir Erziehung zeitgemäss verstehen. Auftragszentrierte Erziehung heisst, den Unterstellten Sinn zu vermitteln. Es liegt auf der Hand, dass damit unser Command gestärkt wird – wenn alle den Sinn meines Handelns verstanden haben (Auftragstaktik!), werden wir den Auftrag besser erfüllen. Menschenorientierte Erziehung heisst im Gegenzug, Werte zu vermitteln. Wenn es uns dies gelingt, wird die Leadership um einiges einfacher. Man stelle sich dazu einen Verband vor, in dem alle die 12 Werte der Infanterie verinnerlicht haben. Organisationsbasierte Erziehung heisst schliesslich, Ordnung zu vermitteln. Das tönt altmodisch und fast brachial, ist aber eine zwingende Notwendigkeit. Wo Ordnung herrscht, kann aber auch auf ein Übermass an Management verzichtet werden.

 

Die Ausbildung schafft schliesslich die Voraussetzungen dafür, dass die Führung gelingt. Es ist unsere Aufgabe – nicht nur in Kaderschulen, sondern auch im Wiederholungskurs – die notwendigen Sicherheiten zu vermitteln. Konkret muss auftragszentrierte Ausbildung Handlungssicherheit vermitteln, menschenorientierte Ausbildung Verhaltenssicherheit und organisationsbasierte Ausbildung Verfahrenssicherheit.

 

Wie gut es darum in einem Verband steht, etabliert sich erneut in drei Aspekten. Command als auftragszentrierte Führung zeigt sich in der Doktrin (haben wir die Infanteriedoktrin in unserer Kompanie verinnerlicht?). Leadership als menschenorientierte Führung zeigt sich in der Kultur (wie steht es darum in unserem Zug?). Management als organisationsbasierte Führung etabliert sich in Strukturen und Prozessen (Ist unser Bataillon gut aufgestellt?) Nur so können wir die verschiedenen Herausforderungen mit passenden Ansätzen angehen.

 

Was das Modell ist und was es nicht ist

Das Referenzmodell gibt keine neue Führung vor. Es beschreibt, worin Führung, Ausbildung und Erziehung bestehen und wie diese Tätigkeiten zueinanderstehen. Damit schafft es die Grundlage für reflexive (IST: wo stehen wir?) und normative (SOLL: wo wollen wir hin?) Diskussionen. Das Referenzmodell ist generisch und skalierbar. Es kann unabhängig von der Spezialisierung (Truppengattungen, Milizkader vs Berufsmilitär, etc), vom Kontext (Armee, Gruppe V, Privatwirtschaft) und von der Hierarchiestufe angewandt werden.

 

Mit der Klärung der Begrifflichkeit soll also in erster Linie das Sprechen und Denken über Führung vereinfacht werden. «Kultur», «Leadership», «Sinnvermittlung», «Prozesse»: wir verwenden zahlreiche Begriffe, ohne immer sicher zu sein, was wir damit genau meinen. Gleichzeitig hilft uns das Modell, unsere aktuellen Herausforderungen in der Führung in der Schweizer Armee anzusprechen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns in den letzten 30 Jahren zu stark mit Management, etwas zu wenig mit Leadership und deutlich zu wenig mit Command auseinandergesetzt haben.

 

Das trifft nicht für alle und nicht überall zu, aber ich habe in meiner Zeit als Zfhr, Kp Kdt, SC, Bat Kdt – und auch als BO, zuletzt als Klassenlehrer Inf OS, einiges gesehen, das besser sein könnte – als Opfer wie auch als Täter. Zwei Beispiele schon nur aus meinem letzten WK: Wenn an einer Stabsübung das fehlende AEK für die Bestimmung des Schlüsselgelände ROT kritisiert wird, die Richtigkeit des Schlüsselgeländes aber gar nicht interessiert, dann haben wir zu viel Blau und zu wenig Grün (im Sinne des Modells). Wenn ich aber einen Kp Kdt für Formalitäten kritisiere und zu wenig bei ihm war, um zu spüren, wie er die Truppe erzieht und welche Werte er vermittelt, dann war ich zu Blau unterwegs und war auf dem Roten Auge blind.

 

Wir haben eine grosse Herausforderung, insbesondere in der Infanterie: der Grüne Anteil der Führung hat wieder komplett geändert; weg von der Zernierung hin zum Stützpunkt. Vielen Kadern fehlt es dabei an Handlungssicherheit. Wir haben 20 Jahre Checkpoint trainiert und müssen nun Sperre können. Der Auftrag hat geändert – zweimal: zu Beginn der Armee XXI weg von der Verteidigung und nun, seit 2022, zurück zur Verteidigung. Was hat aber zwei Jahrzehnte lang nicht geändert? Die Organisation. Und jeder bildet lieber aus, was er besser versteht. Deshalb reiten wir auf unserer Verfahrenssicherheit, üben uns mit Stabsprozessen zu Tode und haben verlernt, über Taktik zu sprechen. Und dann wäre da noch der Mensch: nehmen wir uns vor lauter WK-Organisation die Zeit, über Kultur und Werte zu sprechen? Haben wir den Mut, hier ein bisschen zu erziehen? Führung muss menschenorientiert sein, keine Frage. Aber der Auftrag steht im Zentrum – auch das steht im Dienstreglement. Es gibt viel zu tun.

 

EXEMPLO DUCEMUS!

Oberstlt i Gst Patrick Hofstetter

 

Patrick Hofstetter, PhD ist Dozent Führung und Kommunikation an der Militärakademie an der ETH Zürich. 2022 bis 2024 war er Kdt Geb Inf Bat 29; aktuell ist er im Stab Operative Schulung als «Of U a i» eingeteilt. Er war 2004 Aspirant an der Inf OS 3/6, 2008 Zeitmilitär an der Inf OS 3, 2010 Kp Kdt an der Inf OS 1 und 2017 – 2019 Klassenlehrer an der Inf OS 10. Die Nummern ändern, die 12 Werte bleiben.

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